Es kann bereits heute davon ausgegangen werden, dass es im Gesundheitswesen keinen Bereich geben wird, welcher von der Digitalisierung mitsamt all ihrer Technologie und Technik verschont bleibt. Entsprechend spielen schon heute auch die technologischen Anwendungen und künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle, sei es – beispielsweise im Klinischen – in der Früherkennung, der Diagnose, der Behandlung oder in der anschließenden Nachsorge und Kontrolle von Krankheiten.
Künstliche Intelligenz in der klinischen Forschung
Anhand zweier Beispiele – einmal aus dem Bereich der Diagnostik und einmal aus dem Bereich der Chirurgie – soll einmal deutlich werden, welchen merkbaren Einfluss künstliche Intelligenz auf die klinische Forschung nimmt und weiter nehmen wird, wenn die Entwicklung stetig weitergeht und die Menschen darüber hinaus den Algorithmen das notwendige Vertrauen entgegenbringen. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass die momentane Situation wohl gerade einmal einen kleinen Teil des Potenzials künstlicher Intelligenz in der klinischen Forschung darstellt und gespannt abgewartet werden darf, wohin die Reise zukünftig noch gehen wird.
Im Bereich der Diagnostik hat die Universität Stanford in Kalifornien – beispielsweise – eindrucksvoll gezeigt, dass ein Algorithmus, der auf dem Prinzip eines neuronalen Netzwerkes und des Deep Learning beruht, zwölf verschiedene Herzrhythmusstörungen – wie zum Beispiel Vorhofflimmern und -flattern, ventrikulare und supraventrikulare Tachykardien, Sinusrhythmus sowie Messfehler – anhand eines Ein-Kanal-EKGs nicht nur zuverlässiger, sondern auch in wesentlich geringerer Zeit diagnostiziert als sechs erfahrene Kardiologen. Programme für die automatische Auswertung der Messungen aus der Elektrokardiographie gibt es schon einige Zeit, jedoch war die diagnostische Treffsicherheit dieser bisher eher begrenzt. Der selbstlernende Algorithmus wurden hingegen mit circa 64.000 Ein-Kanal-EKGs von knapp 30.000 Patienten trainiert, was dafür sorgt, dass dieser wesentlich feiner arbeitet und somit eine höhere diagnostische Treffsicherheit aufweisen kann. Im Anschluss an diese Trainingsphase, wurde das Ergebnis der Befundung sowie Diagnose von 336 EKGs des Algorithmus und der sechs erfahrenen Kardiologen mit dem Ergebnis eines unabhängigen Gremiums ausgewiesener Herzrhythmusexperten verglichen. Dies zeigte eindrucksvoll, dass sowohl der Wert der Sensitivität als auch der positiv-prädiktive Wert des Algorithmus höher lag als die durchschnittlichen Werte der sechs Kardiologen. [1]
Ferner soll einmal kurz der Einsatz künstlicher Intelligenz in Hinblick auf den autonomen Roboter STAR (Smart Tissue Autonomous Robot) in der Chirurgie betrachtet werden. Dieser setzt sich aus einem Roboterarm sowie weiteren chirurgischen Instrumenten zusammen. Des Weiteren verfügt er über ein 3D-Kamera-System, welches auf der Grundlage von Mikrolinsen arbeitet, und eine Infrarotkamera. Diese erkennt Marker, welche im Vorfeld in das zu operierende Gewebe eingebracht werden und den Roboter erkennen lassen, was er gerade macht. Im Rahmen einer Studie wurde der autonome Operationsroboter gegen menschliche Experten getestet. Die Aufgabe war es, eine Anastomose durchzuführen. Diese stellt einen chirurgischen Eingriff dar, bei welchem operativ eine Verbindung zwischen dem getrennten Gewebe eines Hohlorgans oder Gefäß geschaffen wird. Hierzu diente für die Studie der Dünndarm eines Schweines. Sowohl der autonome Roboter als auch die Ärzte mussten das lebende Gewebe zuerst im Labor und anschließend an einem in Narkose befindlichen Schwein zusammennähen. Forscher betonen, dass die Schweine alle Eingriffe problemlos durchgestanden hätten. Das Ergebnis zeigt jedoch zeitgleich auch, dass die Nähte des autonomen Operationsroboter gleichmäßiger waren als die der erfahrenen Experten. Auch klaffte keine der Nähte in irgendeiner Weise auseinander. Hinsichtlich der Zeit, welche für den Eingriff jeweils benötigt wurde, musste sich der Roboter jedoch dem Menschen geschlagen geben. Entsprechend benötigte er im Schnitt 50 Minuten für den Eingriff, während der Mensch an dieser Stelle lediglich 10 Minuten brauchte. [2]
Künstliche Intelligenz in der Datensammlung und -verarbeitung im Gesundheitswesen
Daten, Daten, Daten – für die Anwendungen künstlicher Intelligenz können es gar nicht genug davon sein, bilden diese die essenzielle Grundlage für deren Technologie und Technik. Im Gesundheitswesen steigen die Daten oft von einer Sekunde auf die andere in einen Bereich an, welcher von den Menschen allein nicht bewältigt werden kann und diese förmlich überfordert. Entsprechend ist es wenig verwunderlich, dass heute auch im Gesundheitswesen auf Algorithmen künstlicher Intelligenz zurückgegriffen wird, um einerseits die Daten zu sammeln und andererseits diese in der Folge ebenso verarbeiten zu können. Der Einfluss künstlicher Intelligenz soll auch in diesem Fall erneut anhand zweier Beispiele dargelegt werden.
Beispielsweise wurde auf der Medizinmesse DMEA – Digital Medical Expertise & Applications – Data@Hand vom Fraunhofer-Institut für graphische Datenverarbeitung IGD vorgestellt. Data@Hand ist ein cloudbasiertes Analysetool, welches mithilfe von künstlicher Intelligenz die Gesundheits- und Prozessdaten eines Patienten hinsichtlich Anomalien – sprich Abweichungen vom Ideal- bzw. Normalzustand – untersucht. Dazu werden Modelle des maschinellen Lernens darauf trainiert, Daten über den Gesundheitszustand eines Menschen zu erfassen und in Echtzeit zu verarbeiten. Auf diese Weise können zum Beispiel die Vitaldaten des Patienten analysiert und die daraus resultierenden Datenströme an visuelle Assistenzanwendungen weitergeleitet werden. Besonders auffällige Daten fallen den Ärzten somit sofort ins Auge und die Diagnose kann anhand einer umfassenden und jederzeit zugänglichen Datenbasis erfolgen. [3]
Eine weitere Anwendung des Fraunhofer-Institut für graphischer Datenverarbeitung IGD soll die Ärzte bei der Auswertung medizinischer Aufnahmen aus der Magnetresonanz- und der Computertomographie unterstützen. Die dreidimensionalen Aufnahmen aus diesen beiden bildgebenden Verfahren liefern Informationen über die Gestalt sowie die Lage von Körperstrukturen und eventuellen Raumforderungen. Künstliche Intelligenz schafft es diesen sehr aufwendigen und zeitintensiven Prozess zu verkürzen, indem sie nicht nur bei der Analyse der Informationen bzw. Daten unterstützt, sondern darüber hinaus diese auch automatisiert und anhand der zur Verfügung stehenden Daten eine „virtuelle Biopsie“ ermöglicht. Dazu lokalisiert sie mit Markern die Raumforderung, sodass diese dem Anwender dreidimensional dargestellt werden kann. Nebenher werden außerdem noch wichtige Daten analysiert und verarbeitet. Auf diesem Wege erhält der Anwender der Software alle wesentlichen Informationen und eine herkömmliche Biopsie, welche sonst nur wichtige zeitliche Ressourcen
benötigen würde, kann dem Patienten und dem Anwender – in der Regel somit den Ärzten – erspart werden. [4]
Fazit
Um es kurz einmal etwas bildlich vor Augen zu führen, kann gesagt werden, dass die Digitalisierung mitsamt all der dazugehörigen Technologie und somit auch mitsamt künstlicher Intelligenz wie eine Welle einen gewaltigen Einfluss auf den Alltag eines jeden und folglich ebenso auf das Gesundheitswesen nimmt. Faktisch lässt sich nicht bestreiten, dass dies nicht immer jedem gefallen kann und gerade, wenn es um einen Bereich wie das Gesundheitswesen geht, scheiden sich die Geister dahingehend immer noch einmal mehr.
Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen hat allen voran mit einem Misstrauen in der breiten Bevölkerung zu kämpfen, da viele Menschen schlicht eine falsche bzw. ungenaue Vorstellung darüber haben, wie die verschiedenen Anwendungen tatsächlich zum Einsatz kommen und darüber hinaus – mit Blick in den Operationssaal und auf die dort anzutreffenden autonomen Assistenzrobotern – in den Eingriffen selbst tätig werden. Diesbezüglich gilt es über eine umfassende Aufklärung der Patienten nachzudenken und jene auf diese Weise Schritt für Schritt mit den neuen Technologien vertraut zu machen. Einer solchen Aufklärung bedarf es jedoch auch in den Einrichtungen selbst, wenn die verschiedenen Tätigkeitsbereiche betrachtet werden. Demnach muss dafür gesorgt werden, dass das Personal in dessen Tätigkeitsbereichen mit den dortigen technologischen Neuerungen im Umgang geschult wird und auf diesem Weg ein gewisses Vertrauen in die Anwendungen künstlicher Intelligenz bekommt sowie die Erkenntnis erlangt, dass diese dessen Tätigkeit nicht übernehmen, sondern bestenfalls positiv beeinflussen. Daher benötigt es allen voran starke Führungspersönlichkeiten mit der nötigen Konsequenz und dem Mut, die technologischen Neuerungen in die Einrichtung einzubringen sowie langfristig auch zu etablieren, um nicht nur die Digitalisierung, sondern darüber hinaus vor allem die Anwendungen künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen weiter voranzubringen.
Künstliche Intelligenz kann in der Zukunft für das Gesundheitswesen grundlegend nur an Bedeutung gewinnen. Der Weg dorthin führt dabei hauptsächlich über den Menschen selbst, ist dieser für die Entwicklung und Forschung auf diesem Gebiet verantwortlich sowie darüber hinaus momentan ebenso die größte Behinderung, wenn es um die verschiedenen Anwendungen künstlicher Intelligenz in diesem Bereich geht. Entsprechend gilt es zu erkennen, dass die Menschen allein dafür verantwortlich sind wie gut die Anwendungen künstlicher Intelligenz arbeiten und funktionieren. Dies wird im Wesentlichen allen voran von der Qualität der Daten beeinflusst, die teils aus Menschenhand stammen bzw. von den Menschen zugeführt werden. An dieser Stelle lässt sich ein großer Vorteil der Anwendungen künstlicher Intelligenz gegenüber den Menschen nicht von der Hand weisen: selbst wenn diese einen Fehler begehen und – beispielsweise – eine Aufnahme aus der Magnetresonanztomographie oder der Computertomographie falsch klassifizieren, lernen sie im Nachhinein ihre Fehler und geben die daraus gewonnene Erkenntnis unverzüglich und automatisch an alle verbundenen Anwendungssysteme weiter. In der Folge kann weitestgehend davon ausgegangen werden, dass keine dieser Anwendungen noch einmal den gleichen Fehler begeht.
Letztendlich sollte deutlich geworden sein, dass künstliche Intelligenz bereits heute einen Einfluss auf das Gesundheitswesen nimmt, aber noch lange nicht ihr volles Potential abruft bzw. vielmehr abrufen kann. Dies liegt einerseits an den Menschen und andererseits an den Anwendungen künstlicher Intelligenz selbst, wird nur einmal der fehlende Erfahrungsschatz sowie die fehlende Empathie und Intuition bedacht. All dies haben die Menschen künstlicher Intelligenz derzeit noch voraus und es bleibt abzuwarten, wohin die Reise zukünftig gehen wird.
Quellenangaben
[1] Vgl. Grätzel, P.: Algorithmus schlägt Kardiologen bei der EKG-Diagnostik. In: Kardiologie.org, 12.Juli 2017, https://www.kardiologie.org/diagnostik-in-der-kardiologie/herzrhythmusstoerungen/algorithmus-schlaegt-kardiologen-bei-der-ekg-diagnostik/13297826 (Zugriff am 10.05.2019) [2] Vgl. Pluta, W.: Operationsroboter übertrifft menschliche Kollegen. In: golem.de, 9.Mai 2016, https://www.golem.de/news/robotik-operationsroboter-uebertrifft-menschliche-kollegen-1605-120779.html (Zugriff am 12.05.2019) [3] Vgl. Fraunhofer IGD: Künstliche Intelligenz als medizinische Entscheidungshilfe. In: Fraunhofer IGD, 28.Februar 2019, https://www.igd.fraunhofer.de/presse/aktuelles/kuenstliche-intelligenz-als-medizinischeentscheidungshilfe (Zugriff am 11.05.2019) [4] Vgl. Ebd.Bild: https://lifeboat.com/blog/2019/01/machine-learning-and-medicine-is-ai-the-future-of-psychiatry